Entscheidungen fühlen sich oft wie ein Spagat zwischen Herz und Verstand an. Herz über Kopf ist ein Song von Joris, in dem er den Widerspruch zwischen Herz und Kopf in einer nicht ganz beendeten Beziehung beschreibt.

Aber was bedeutet eigentlich Herz über Kopf in Bezug auf Entscheidungen? Mich hat bei dieser Frage das Buch „Die Weisheit des Herzens“ von Raphael M. Bonelli fasziniert.

Was beeinflusst unsere Entscheidungen? Wir haben, symbolisch gesehen, drei verschiedene Entscheidungsinstanzen im Körper, den Verstand, den Bauch und das Herz. Dabei werden Bauch und Herz manchmal verwechselt.

Den Verstand verbinden wir mit Vernunft, Logik, eher langfristigem Denken, Struktur oder Planung. Er unterscheidet uns von anderen Lebewesen und ermöglicht uns Dinge zu verstehen, sie zu bewerten und für die Zukunft zu planen. Was in unserem Verstand stattfindet, ist uns bewusst. Er verarbeitet geistigen Input und ist eher von nützlichem Denken geprägt. Er ist unser intellektueller Überbau dem wir Erkenntnis verdanken. Der Verstand, das sind vor allem jede Menge Nervenverbindungen und Knoten, die im vorderen Bereich des Kopfes, dem präfrontalen Kortex entstehen. Er ist sozusagen der Regisseur für komplexe kognitive Funktionen und ermöglicht zielgerichtetes Handeln. Er entwickelt sich erst nach der Geburt, da der Kopf sonst viel zu groß für eine natürliche Geburt wäre. Das heißt ein Säugling hat noch keinen Verstand, wie wir ihn verstehen. Er lernt erst grundlegende Dinge wie greifen, scharf sehen, Impulskontrolle, Sprache und vieles mehr.

Der Bauch steht eher für unsere unterbewusste Seite, unsere Triebe, grundlegende Bedürfnisse und Gefühle, wie Lust, Unlust, Bindung, Angst, Hunger oder Neid. Der Bauch könnte auch als unsere Körper-Intelligenz bezeichnet werden, die unser Überleben sichert. Er verarbeitet emotionalen Input und beruht auch auf unserem emotionalen Erfahrungsgedächtnis, dass bereits während der Schwangerschaft geprägt wird. Er ist kurzfristig und impulsiv und mehr ans hier und jetzt und an Affekte gekoppelt. Er reagiert auf Reize. Ohne Kontrolle kennt er kein Maß. Dafür ist er schnell, viel schneller als der Verstand und sichert so auch unser Überleben.

Doch wer sagt eigentlich dem Bauch oder dem Verstand, was er tun soll? Wer trifft, bzw. sollte unsere Entscheidungen treffen?

Würde sie der Verstand alleine treffen, wäre das Leben sehr rational und von Kontrolle bestimmt. Insbesondere in emotionalen Situationen wäre der Verstand überfordert, würde sich im Extremfall intensiv um Lösungen bemühen, aber keine rationalen Erklärungen finden, was zu einem Gedankenkarussell führen kann.

Würde der Bauch Entscheidungen treffen, würden wir eher Trieb- und Lust- gesteuert leben, im Moment, also eher wie ein kleines Kind. Entscheidungen wären zwar stabil, aber eher ein Körpergefühl, diffus und allgemein. Wir könnten nicht beschreiben, auf Basis welcher Fakten eine Entscheidung gefallen ist. Besonders schwierig wird das, wenn wir in dysfunktionalen Umgebungen groß geworden sind, also falsche Verknüpfungen in unserem emotionalen Erfahrungsgedächtnis hinterlegt sind. Zum Beispiel die Überzeugung nur liebenswert zu sein, wenn wir gute Leistungen erbringen und es allen recht machen. Dann spielt uns unser Erfahrungsgedächtnis einen Streich.

Hier kommt die dritte Instanz, das Herz, ins Spiel. Im Herzen tragen wir unser inneres Heiligtum, alles, was schön, wahr und gut ist, aber auch unseren Willen, unsere Werte und unser Gewissen. Je nachdem wie wir geprägt sind, können sich unsere Werte und unser Wille entwickeln. Ein Herz kann offen und stark, schwach oder verstockt sein.

Ein starkes und offenes Herz ist gelassen, tief, klar, frei, entschieden und verbindlich. Ein Mensch mit einem starken Herzen liebt sich selbst und andere. Ein starkes Herz nutzt den Verstand und den Bauch als wichtige und starke Berater. Entscheidungen trifft das Herz mit Hilfe eines klaren Willens und auf Basis innerer Werte. Es hat also einen inneren Kompass.

Ein schwaches Herz ist eher oberflächlich, unklar, unentschieden, vielleicht gehetzt, unruhig und unfrei. Es hat meist zu wenig Kraft, um gegen die Energie des Bauches anzukommen. Das verursacht zwar ein schlechtes Gewissen, wird sich jedoch durch oberflächliche Reize ablenken und Selbsterkenntnis vermeiden. Der Wille ist schwach, das bedeutet das Herz unfähig sich entlang seiner Werte zu entscheiden.

Ein verstocktes Herz ist unwillig, es ist eher von Gier und Angst getrieben, sucht die billige, kurzfristige und egoistische Befriedigung. Es kann aus eigener Verletzung heraus boshaft, verlogen, verbohrt und abweisend sein. Der Kontakt zum inneren Heiligtum ist nicht vorhanden.

Um gute Entscheidungen zu treffen, ist es daher wichtig das eigene Herz zu stärken, sich selbst, die Liebe für sich selbst zu finden, eigene Werte zu entwickeln und den eigenen Willen zu stärken. Das bedeutet inneres Wachstum, Persönlichkeits-Entwicklung und eine Auseinandersetzung mit den eigenen Prägungen. Ich finde, es lohnt sich. Es geht um nicht mehr oder weniger als darum, innere Freiheit zu erlangen und die Weisheit des Herzens zu entdecken.

Das schönste Gedicht, das ich zu diesem Thema kenne, ist „Als ich mich selbst zu lieben begann …“ von Charlie Chaplin: