Viele Menschen versuchen nach außen stark zu erscheinen, sich keine Blöße zu geben. Die moderne Berufswelt scheint genau das auch zu fördern. Wer Fehler macht ist weg vom Fenster. Wer Schwäche zeigt, zieht im Konkurrenzkampf den Kürzeren. Ein Phänomen, dass Männer und Frauen gleichermaßen betrifft.

Doch was bedeutet es eigentlich, stark zu sein. Ist unverletzlich zu sein, nicht zu zeigen, wie es uns wirklich geht, tatsächlich Stärke? Welchen Preis hat die Entscheidung stark zu sein und wo kommt das eigentlich her?

Wenn Sie nach außen stark sein wollen, müssen Sie eine Fassade, eine Mauer errichten. Ein Schutz, der möglichst vielen Angriffen stand hält. Hinter dieser Mauer verbergen Sie Ihre Verletzlichkeit, Ihre Traurigkeit, Schuldgefühle und Scham, eben alle Gefühle, die Sie als negativ und nicht dem erwarteten Bild entsprechend erachten. Manche Menschen verbergen ihre Gefühle so gut, dass sie sie selbst kaum mehr wahrnehmen können. Nur der präsentable Teil darf gesehen werden, ins Scheinwerferlicht. Die sogenannte Schattenseite wird verborgen.

Doch starke Mauern ziehen starke Angreifer an. Das Leben wird so mehr und mehr zu einem Kampf. Die Aufmerksamkeit ist auf die Erhaltung der Mauern gerichtet, des Bollwerks. Sie stark und stabil zu erhalten kostet den größten Teil Ihrer Energie. Sie versuchen leistungsstark, belastbar, selbstbewusst und eben unverletzlich zu sein. Sie strengen sich an, versuchen Fehler zu vermeiden, notfalls Schuldige für Fehler zu finden. Eine weniger Kampf betonte Form ist der Versuch zum eigenen Schutz es allen Recht zu machen.

Ein solches Verhalten erfordert eine permanente Aufmerksamkeit, Sensoren, die das gesamte Umfeld scannen, um die Kontrolle über sich Selbst und das Umfeld zu behalten. Mit der Zeit kann daraus eine gewisse Starre und Unbeweglichkeit entstehen. Es bleibt wenig Energie für das Schöne, für Freude oder Leichtigkeit. Auch der Körper reagiert darauf. Der Nacken ist verspannt und auch die Verdauung reagiert empfindlich auf zu viel inneren Druck.  Menschen in Ihrem Umfeld nehmen diesen Druck wahr. Er ist ihnen oft unangenehm. Darüber hinaus wissen sie nicht so genau, wie sie Sie einschätzen sollen. Daher bleiben sie lieber auf Distanz und Sie bleiben nicht selten mit einem Gefühl von Einsamkeit zurück, irgendwie nicht so richtig dazu gehörig.

Wenn Sie diese Situation kennen und verändern wollen hilft es, sich die folgende Frage zu stellen. Welches Gefühl steckt eigentlich hinter diesem Muster? Vielleicht erkennen Sie, dass es in Wahrheit oft eine Angst ist, Angst sich so zu zeigen, wie Sie wirklich sind, Angst verletzt zu werden. Ihr Leben wird bestimmt durch den Gedanken stark sein zu müssen. Das erzeugt Anspannung und den Wunsch nach Kontrolle. Ihre äußere Fassade zeigt ein Lächeln und scheinbare Leichtigkeit.

Wollen Sie Ihr Leben wirklich durch diese Gefühle bestimmen lassen?

„Sei stark“ ist ein sogenannter Antreiber, den die meisten Betroffenen in ihrer Kinderzeit erlernen. Bedürftige Eltern, manipulative Erziehungsmethoden, die Ursachen sind vielfältig. Was viele Menschen für Ihre Persönlichkeit halten, ist in Wahrheit ein erlerntes Muster. Die gute Nachricht dabei – Sie können dieses Muster wieder „verlernen“.

Als Kind haben Sie dieses Muster verinnerlicht, weil Sie glaubten nur so Anerkennung und Liebe zu bekommen. In Ihrer Familie mag das sogar stimmen, doch auf die heutige Welt eines Erwachsenen passen diese Muster nur noch selten.

Sie zu verlernen benötigt Mut und Geduld, denn die dahinter liegende Angst lässt sich ja nicht einfach ausschalten. Behutsam können Sie lernen Vertrauen in sich, andere Menschen und das Leben zurück zu bekommen. Die eigene, vermeintliche Schwäche und Verletzlichkeit zu entdecken, dahinter verbirgt sich der Weg zu mehr Lebensfreude und einer lebendigen Energie. Denn wahre Stärke ist Herzensstärke und die beginnt mit der Liebe zu sich selbst, dem ganzen Menschen, ganz besonders den vernachlässigten Schattenseiten.

Die eigene Verletzlichkeit zu erkennen und anzunehmen lässt uns alle weicher werden, offener und liebevoller – mit uns selbst und Anderen. Vielleicht finden Sie darin Ihren eigenen Herzschlag, Ihren eigenen Rhythmus und Ihre eigenen Werte wieder. Haben Sie Mut, gehen Sie den ersten Schritt. Es lohnt sich. Das Leben kann soviel leichter, bunter und lebendiger sein.

Dabei wünsche ich Ihnen viel Erfolg, Ihre Karen Prillwitz

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